Heute wurde das Unwort des Jahres 2009 bekanntgegeben: betriebsratsverseucht
Dieses Unwort ist wirklich ein unmögliches, unverschämtes Unding. Ein Betriebsrat ist nämlich eigentlich eine gute Sache, ein Betriebsrat vertritt die Rechte und Interessen der Arbeitnehmer. Also der Menschen, die in einer und für eine Firma arbeiten. Die Betriebsräte sind Arbeitnehmervertreter. Und will ein Arbeiter/Angestellter von einer Firma in eine andere wechseln, weil er oder sie einen neuen Job braucht/möchte – ist er/sie “betriebsratsverseucht”. Die neue Firma, die vielleicht keinen Betriebsrat hat, möchte keinen neuen Arbeiter, der für seine Interessen eintritt. Dieses sagt jedenfalls das Unwort “betriebsratsverseucht” aus. Vom Betriebsrat verseucht. Verseuchen ist was ganz Schlimmes. So kann zum Beispiel Trinkwasser verseucht sein, man darf es dann nicht mehr benutzen, denn es droht eine Seuche (schlimme Krankheit, Epidemie)
Aus der Pressemitteilung: “Die Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen “stört” zwar viele Unternehmen, sagte der Sprecher der sprachkritischen Jury, Horst Dieter Schlosser, in Frankfurt. Das als “Seuche” zu bezeichnen, sei aber ein sprachlicher Tiefpunkt im Umgang mit Lohnabhängigen. Der Vorschlag kam von einem Mitarbeiter einer Baumarktkette.”
Seit 1991 wird jährlich von einer unabhängigen Jury (Sprachwissenschaftler) ein „Unwort des Jahres“ gekürt. Alle Bürger sind das ganze Jahr über aufgerufen, der Jury Vorschläge zu schicken. Das können Wörter sein aus allen Bereichen: der Kommunikation, der Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft …., kurzum: „Wörter und Formulierungen aus der öffentlichen Sprache, die sachlich grob unangemessen sind und möglicherweise sogar die Menschenwürde verletzen«. Das sind die Unwörter der vergangenen Jahre, mit kurzen Erklärungen:
1991 : Ausländerfrei (fremdenfeindliche Parole in Hoyerswerda)
1992 : Ethnische Säuberung (Propagandaformel im ehemaligen Jugoslawien)
1993 : Überfremdung (Scheinargument gegen Zuzug von Ausländern)
1994 : Peanuts (abschätzender Bankerbegriff))
1995 : Diätenanpassung (Beschönigung der Diätenerhöhung im Bundestag)
1996 : Rentnerschwemme (falsches, angstauslösendes Naturbild für einen sozialpolitischen Sachverhalt)
1997 : Wohlstandsmüll (Umschreibung arbeitsunwilliger wie arbeitsunfähiger Menschen)
1998 : sozialverträgliches Frühableben (in einer öffentlichen Erklärung zynisch wirkende Ironisierung)
1999 : Kolleteralschaden (Verharmlosung der Tötung Unschuldiger als Nebensächlichkeit; NATO-offizieller Terminus im Kosovo-Krieg)
2000 : national befreite Zone (zynische Umschreibung einer Region, die von Rechtsextremisten terrorisiert wird)
2001 : Gotteskrieger (Selbst- u. Fremdbezeichnung d. Taliban- u. Al Kaida-Terroristen)
2002 : Ich –AG (Reduzierung von Individuen auf sprachliches Börsenniveau)
2003 : Tätervolk (grundsätzlich inakzeptabler Kollektivschuldvorwurf)
2004 : Humankapital (degradiert Menschen zu nur noch ökonomisch interessanten Größen)
2005 : Entlassungsproduktivität (Gewinne aus Produktionsleistungen eines Unternehmens, nachdem zuvor zahlreiche für „überflüssig“ gehaltene Mitarbeiter entlassen wurden.)
2006 : Freiwillige Ausreise (Gesetzes- und Behördenterminus, wenn abgelehnte Asylbewerber nach intensiver „Beratung“ in ihre Herkunftsländer zurückkehren, wobei die Freiwilligkeit in vielen Fällen zweifelhaft ist)
2007 : Herdprämie (Das Wort diffamiert Eltern, insbesondere Frauen, die ihre Kinder zu Hause erziehen, anstatt einen Krippenplatz in Anspruch zu nehmen.)
2008 : notleidende Banken ( Das Verhältnis von Ursachen und Folgen der Weltwirtschaftskrise wird auf den Kopf gestellt.)
2009 : betriebsratsverseucht
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